Schönheit liegt im Auge des Betrachters, so sagt man. Trotzdem gibt es diese Form von zeitloser Schönheit, die sogar Jahrtausende überdauern kann. Ein Paradebeispiel dafür ist die Büste der Nofretete. Jeder kennt sie und selbst wenn nur ihre Konturen angedeutet werden, weiß man sofort, um wen es sich handelt. Was macht ihre Faszination aus und welche Bedeutung hat sie im Laufe der letzten hundert Jahre seit ihrer Entdeckung für unsere westliche Welt gewonnen?

Als der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt 1912 in Amarna bei Grabungen u.a. die Büste der Nofretete unter Schuttbergen fand, war sie fast unbeschadet. Nach damaligen Recht wurden die Funde aufgeteilt. Da Ägypten zu der Zeit keinen Anspruch auf sie erhob, kam sie nach Berlin und wurde rund zehn Jahre weggeschlossen, weil man schon damals Probleme mit der Zugehörigkeit befürchtete. So war es dann auch, als sie 1924 das erste Mal öffentlich präsentiert wurde.

„Die Schöne ist gekommen“, so die Bedeutung ihres Namens. Nur wenig ist belegt über ihre Herkunft, ob sie schwarz oder weiß war und woher sie stammte. Fakt ist, dass sie während der 18. Dynastie die Gemahlin von Echnaton war, zahlreiche Abbildungen zeugen davon. Sie stieg schon bald zu einer Art Mitregentin auf. Ihre berühmte blaue Krone stellte ein Gegenstück zum Kriegshelm des Pharaos dar. Man vermutet, dass sie nach dem Tod Echnatons Ägypten zumindest für eine gewisse Zeit allein regiert hat. Die meisten Aussagen über Leben und Tod Nofretetes basieren allerdings auf Vermutungen, nur weniges ist historisch verbürgt. Dadurch wurde sie dann auch bis in die heutige Zeit zu einem perfekten Projektionsobjekt.

Ihre steile Karriere in der Neuzeit ist bis heute ungebrochen. Sie löste in den 20er Jahren eine wahre Ägyptomanie aus. So wurde sie zur Werbeikone für Kosmetik, Parfüm, Schmuck und vieles mehr. Damals wie heute entspricht sie dem modernen westlichen Schönheitsideal. Aber auch die afroamerikanische Popkultur ist fasziniert von Nofretete. Allen voran Beyoncé, sie sieht sie als Vorkämpferin für die Rechte schwarzer Frauen. Dies wiederum stieß in Ägypten auf Unverständnis. Allgemein löste es eine Debatte über Rassifizierung aus. Doch die Geschichte der Nofretete ist weit mehr als das. Es geht um Kolonialismus, Imperialismus und letztendlich um die Globalisierung der letzten 150 Jahre.

Conrad hat ein facettenreiches und sehr modernes Buch über eine mehr als 3000 Jahre „Alte Dame“ geschrieben, deren Prägung auf die Neuzeit bis heute andauert. Keine trockene Geschichtsstunde, sondern verständlich und lebendig erzählt und nebenbei auch noch sehr spannend. Geschichte mal aus einem ganz anderen Blickwinkel erzählt. Faszinierende Lektüre über eine faszinierende Frau!

(Sylvia Jongebloed)


Sebastian Conrad: Die Königin. Propyläen Verlag 2024, € 29,00.

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