„Lichte Tage“ ist ein Buch voller Wärme und Melancholie. Es erzählt die Geschichte von drei jungen Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität schicksalhaft miteinander verbunden sind. Die von der Autorin fein gezeichneten Charaktere erscheinen plastisch wie ein Gemälde vor unserem inneren Auge.

Wir tauchen ein ins Oxford der 50er und 60er Jahre. Nicht das von Touristen wahrgenommene Oxford der Hochglanz-Postkarten sondern die trüben Arbeiterviertel, wo Perspektivlosigkeit und Armut herrschen, sind der Schauplatz des Geschehens. Hier wächst Ellis als Einzelkind auf. Schon früh wird er von seiner Mutter Dora an die schönen Künste herangeführt. Im Mittelpunkt steht ein Kunstdruck von van Goghs Sonnenblumen, der, sehr zum Missfallen des Vaters, im elterlichen Wohnzimmer hängt. Dora erkennt bald die künstlerische Begabung ihres Sohnes und will ihn fördern. Doch als sie früh stirbt, unterbindet der Vater strikt die Ambitionen seines Sohnes. Ellis erlernt den Beruf eines Tin Man, eines Automechanikers, und versucht hier als Ersatz seine Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit auszuleben.

In Michael findet er einen gleichaltrigen Freund, der nicht nur seine Interessen und Vorlieben teilt, sondern sie noch verstärkt. Dann muss Michael, inzwischen Journalist bei der Oxford Times, aus beruflichen Gründen nach Südfrankreich reisen und Ellis darf ihn begleiten. Die bunten Farben des Südens, die flirrende Wärme und das gleißende Licht berauschen sie und bringen sich noch näher. Sie befinden sich in einem Ausnahmezustand und loten ihre Gefühle für einander aus. Als sie auf Annie treffen, scheint ihre Gemeinschaft in dieser Dreierkonstellation perfekt zu sein. Doch dann holt sie der Alltag wieder ein und sie müssen Entscheidungen über ihr zukünftiges Leben mit oder ohne einander treffen.

Eine Dreiecksgeschichte? Eindeutig Nein! Sehr einfühlsam erzählt die Autorin von Freundschaft und den vielen Facetten von Liebe. Gekonnt umschifft sie jedes Klischee und driftet nie ins Kitschige ab. Die poetische Sprache bezaubert und leise Wehmut umweht uns. Ein wunderschönes, lebensbejahendes Buch wie ein Gemälde oder wie eine sanfte Melodie!

(Sylvia Jongebloed)


Sarah Winman: Lichte Tage. Klett-Cotta Verlag 2023, € 22,00.

Übersetzt von Elina Baumbach

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