Die Autorin überrascht immer wieder mit ihren exzellenten Biografien über berühmte Frauen des 20. Jahrhunderts wie Isadora Duncan und Dorothy Parker. Alle, ohne Ausnahme, sind mit einem ausgefallenen Titel versehen. Im letzten Jahr war der 100. Todestag der Grande Dame der Short Story, Katherine Mansfield. In diesem Kontext ist dieses eindrucksvolle Buch entstanden.

Mit einer Tasse Tee, „A Cup of Tea“ heißt eine Kurzgeschichte, tauchen wir ein in das bewegte Leben einer der brillantesten Autorinnen der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Die Frau mit den vielen Gesichtern macht es uns allerdings auch heute nicht immer leicht sie zu verstehen. Auf der einen Seite von ihrer Leserschaft geliebt und verehrt, wurde sie von ihren Zeitgenossen, allen voran Virginia Woolf und D.H. Lawrence, belächelt und verspottet. Erst nach ihrem Tod bekannten sie, dass es nur Eifersucht und Neid waren, die sie damals so handeln ließen. Wie schade!

Das Leben von Mansfield ist ein ewiges Auf und Ab. Schon früh weiß sie, dass sie Schriftstellerin werden will. 1908, mit fast zwanzig Jahren, verlässt sie gegen den Willen der Eltern ihre Heimat. Sie ist schon damals von ihrem schriftstellerischen Talent überzeugt und hat nur eine Vision: Sie will nach London. Dort trifft sich die Elite der avantgardistischen Künstler Englands, die legendäre Bloomsbury Group. Doch sie wird niemals ganz dazugehören. Gleich zu Anfang fällt sie durch ihr extrem selbstbewusstes Auftreten unangenehm auf. Sie hält sich schlichtweg für ein Genie. Ausgestattet mit einem enormen schriftstellerischen Talent, mit Fleiß und Kreativität, schafft sie es sehr schnell, sich in den literarischen Olymp zu schreiben. Aber gesundheitlich steht es nicht zum besten. Ein bewegtes Leben und diverse Erkrankungen fordern zuletzt ihren Tribut. Ihr Nachlass umfasst mehr als 70 Erzählungen, einen umfangreichen Briefwechsel sowie ein Tagebuch.

Karl nähert sich der Autorin Mansfield sensibel, aber auch mit klaren Worten an. So entsteht das Porträt einer unkonventionellen und eigenwilligen Frau, die in ihrem Freiheitsdenken ihrer Zeit weit voraus war. Ihr kristallklarer Stil und beißender Humor werden besonders in den Briefen an ihre Freunde deutlich. Meisterhaft sind ihre sorgfältig strukturierten Short Stories, die mit großem Einfühlungsvermögen, aber auch mit scharfen Blick den Fokus auf das alltägliche Leben setzen. Karl ist sowohl eine spannende als auch lebendige und mitreißende Biografie über eine unangepasste Frau gelungen, deren Werk bis heute nichts an Aktualität und Bedeutung verloren hat. Ein Ausnahmebuch über eine Ausnahmekünstlerin!

(Sylvia Jongebloed)


Michaela Karl: Ich brauche einen Liebhaber, der mich am Denken hindert. btb Verlag 2023, € 25,00.

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