Das neue Buch der Israelin Doron erschien nur wenige Wochen vor dem Hamas-Angriff auf Israel. Durch die politischen Ereignisse bekommt der Roman eine zusätzliche Brisanz und ist aktueller denn je. Auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Lebensbericht erscheint, hat es viele Bezüge zum sozialen und politischen Leben im heutigen Israel.

Rebecca Greenfeld, kurz Rivi genannt, ist eine seit kurzem pensionierte Journalistin aus dem Zeitungswesen. Sie könnte jetzt ihr Leben genießen und endlich zur Ruhe kommen. Da erreicht sie eine Hiobsbotschaft. Sie muss ihre Wohnung, in der sie die meiste Zeit ihres Lebens gewohnt hat, innerhalb von sechs Tagen räumen. Das, was sich schon länger angekündigt hat und was sie immer verdrängt hat, wird jetzt zur Gewissheit. Ihr Wohnviertel ist in den letzten Jahren zu einem angesagten Szeneviertel geworden, die Folge ist Gentrifizierung. Ein Schock für Rivi.

Aber sie kämpft, vielleicht das erste Mal in ihrem Leben. Sie beginnt zu schreiben, nicht an Obrigkeiten oder Ämter, sondern an Freunde, Bekannte, Verwandte und Leute, die sie kaum kennt. So beginnt dieser „Briefroman“, der eigentlich aus Emails und Whatsapp-Nachrichten besteht. Ihr ganzes Leben wird vor uns ausgebreitet, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, die sie vielleicht erwartet.

Wie war es in den 60er und 70er Jahren als junge Frau in Israel zu leben, mit dem schweren Erbe der dem Holocaust entkommenen Eltern im Gepäck? Als Kind trug sie die erdrückende Last, für ihren Vater nur eine Art Ersatz für seine erste Tochter zu sein, die die Gräueltaten der Nazis nicht überlebt hat. Auch später scheint sie weiter ein Ersatz zu sein, für die Begierden der Männer, die nur ihre äußere Hülle sahen und sie irgendwann wieder fallenließen. So folgt ihr Leben einem gewissen verhängnisvollem Muster. Letztendlich ist sie wieder allein oder doch nicht? Wendet sich das Blatt?

Ein scheinbar ruhiger Roman, den man gut und flüssig lesen kann. Aber zwischen den Seiten knistert es gewaltig. Es werden schwere Themen so „nebenbei“ angesprochen, wie Rassismus, Misogynie, den Einfluss des Holocausts noch auf die zweite Generation und was es heißt, eine Frau mit eigener Meinung in diesem Land zu sein. Kein leichtes Buch, wenn auch mit einem versöhnlichen Ende. Die überzeugte Pazifistin Doron hat sich einiges von der Seele geschrieben und ist sich dabei literarisch und thematisch absolut treu geblieben. Stark und beeindruckend!

(Sylvia Jongebloed)


Lizzie Doron: Nur nicht zu den Löwen, dtv Verlag 2023, € 23,00.

Übersetzt von Markus Lemke

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