Annette von Droste-Hülshoff war eine Nervensäge. Schon ihre Geburt hatte den Eltern Kummer bereitet.

Bereits der Anfang lässt erahnen, dass hier die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau erzählt wird. Und zwar von einer Autorin, die alles andere als gewöhnlich an diesen historischen Roman herangeht.

Karen Duve erzählt in „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ die Lebensgeschichte von Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff (1797-1848), kurz Annette von Droste-Hülshoff. Dabei legt sie besonderen Wert auf ihre kurze und dramatische Liebesgeschichte im Jahr 1920. Annette ist eine begabte junge Adelsfrau, leider dünn, kränklich, schwach und extrem kurzsichtig. Sie musiziert, komponiert, schreibt, dichtet und interessiert sich für Mineralogie und viele andere Dinge, die Frauen ihrer Zeit nicht gut zu Gesicht stehen. Nette ist zu laut, zu forsch, nicht feminin genug. Sie mischt sich in Herrenrunden, äußert ihre Meinung und ihre spitze Zunge und der beißende, treffsichere Spott und Humor bringen ihr Missbilligung und Abneigung ein. Sie aber lässt sich von ihren Interessen nicht abbringen, wird zwar gefördert, aber nie wirklich ernst genommen.

Schließlich lernt sie Heinrich Straube kennen, einen mittellosen ewigen Studenten. Straube erhält durch seinen Mentor, Nettes wenige Jahre älteren Onkel August von Haxthausen, Zugang zur Familie. Straube fühlt sich zu der talentierten Adligen hingezogen, und Nette erfährt plötzlich Zuneigung und Verständnis für ihre Interessen. Wenn er doch nicht so wenig standesgemäß wäre… Außerdem gibt es einen zweiten Verehrer: den frommen Adligen August von Arnswald. Hier entspinnt sich nun eine Intrige, die Annette von Droste-Hülshoff für den Rest ihres Lebens prägen wird.

Karen Duve erzählt diesen historischen Roman mit leichter Hand. Dabei wählt sie eine Sprache, die dem Zeitgeist durchaus angemessen ist, aber stets modern und ausgesprochen gut lesbar bleib. Es entstehen keine Brüche, Text und Inhalt passen fabelhaft zueinander.

Sie erzählt aber nicht nur eine nette historische Begebenheit, sondern portraitiert eine Frau, die unter gesellschaftlichen Zwängen genauso zu leiden hatte wie unter den frauenfeindlichen Strukturen ihrer Zeit. Kein Wunder also, dass man als Leser schnell auf Nettes Seite ist und all die anderen Dichter und Denker mit kritischen Augen betrachtet. Die Gebrüder Grimm, Hoffmann von Fallersleben, Heinrich Heine, Karl von Drais und viele weiter Literaten und Denker dieser Zeit ziehen am Leser vorbei und werden nicht selten von wirklich komischen Anekdoten begleitet.

Mir hat „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ ausgesprochen gut gefallen. Lassen Sie sich von dem gewaltigen Stammbaum, der im Buch abgebildet ist, und dem umfangreichen Literaturverzeichnis nicht beirren. Dieser historische Roman macht richtig Spaß.

Das Buch ist 2018 bei Galiani erschienen und kostet € 25,00.

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