In ihrem Reisebericht begleitet die Umweltingenieurin Cunningham Grauwalmütter auf ihrer beschwerlichen und gefährlichen Reise von den Küsten Mexikos bis in den hohen Norden von Alaska und den Gletschern des Nordpolarmeeres. Whale Watching der ganz besonderen Art und aus der Feder einer Beobachterin, der nicht nur aus beruflichem Interesse die Umwelt am Herzen liegt.

Im Jahr 2013 beschließt die Autorin und alleinerziehende Mutter, sich mit ihrem zweijährigen Sohn auf eine ganz besondere Reise zu machen. Sie befindet sich in einer deprimierenden Lebenssituation, als sie eine Dokumentation über Grauwale sieht. Beeindruckt davon, welche Kräfte diese großen Säuger jedes Jahr mobilisieren müssen, um ihre Jungen zu ernähren, reflektiert sie ihr eigenes Leben. In diesem Moment großer Verzweiflung fasst sie den Entschluss, es den Walen gleichzutun. Diese Initialzündung reißt sie aus ihrer Lethargie und sie wird aktiv, besorgt Visa, Tickets und arbeitet eine Reiseroute aus. Darüber hinaus liest sie alles über Grauwale, was sie in die Finger bekommt. Sie muss einen Kredit aufnehmen, um diese Reise zu finanzieren, schnappt sich ihren kleinen Sohn und das Abenteuer beginnt.

Grauwale legen pro Jahr bis zu 20.000 Kilometer von Mexiko nach Alaska zurück und wieder retour. Kein anderes Säugetier lässt mehr Strecken hinter sich. Sie bringen ihre Jungen in den warmen Lagunen Mexikos zur Welt und wandern mit ihnen dann zu den sattmachenden Gewässern des Nordpolarmeeres, sozusagen ein Schlaraffenland für Grauwale. Die Anzahl der auf der Welt noch lebenden Exemplare hat sich durch Überfischung, Öl- bzw. Gasbohrungen sowie den Klimawandel im Laufe der Jahre stark dezimiert. Hinzu kommen immer häufigere Walstrandungen an den Küsten ihrer Wanderungen.

Die Autorin bricht in ihrem beeindruckenden Reisebericht eine Lanze für diese faszinierenden Tiere. Hochemotional und spannend erzählt sie von ihren Erlebnissen und dem Gefühl der Ehrfurcht und Solidarität, die sie gegenüber diesen Säugern empfindet. Den Lesern und Leserinnen beschleicht einerseits ein Gefühl von großem Respekt für diese eindrucksvollen Lebewesen und andererseits von großer Wut auf alle jene, die aus reiner Profitgier den Lebensraum der Tiere systematisch abgraben. Ein großartiges Buch, dass den Finger voll in die Wunde legt!

(Sylvia Jongebloed)


Doreen Cunningham: Der Gesang in den Meeren, Rowohlt Verlag 2022, € 23,00.

Übersetzt von Karen Witthuhn

Teilen Sie diesen Beitrag - Wählen Sie die Plattform