Cordelia Edvardson (1929-2012) war die Tochter der katholischen Dichterin Elisabeth Langgässer und des jüdischen Staatsrechtlers Hermann Heller, sie galt nach der Rasselehre der Nazis als „Volljüdin“, weil ihre Mutter einen jüdischen Vater hatte. Cordelia Edvardson wuchs bei Mutter und Großmutter in Berlin auf, sie wurde 1943 nach Theresienstadt, später nach Auschwitz deportiert, wo sie auf der Schreibstube eingesetzt der Gaskammer entkam. 1945 gelangte sie über das schwedische Rote Kreuz noch vor Kriegsende nach Schweden. Cornelia Edvardson kehrte nie nach Deutschland zurück, sie wurde Journalistin, konvertierte zum Judentum und war von 1974 bis 2006 Korrespondentin des Svenska Dageblat in Israel.

„Gebranntes Kind sucht das Feuer“ schildert die Leidensgeschichte ihrer Kindheit und Jugend, danach noch kurz ihr Leben als Erwachsene in Schweden bis zu ihrem Umzug nach Israel. Das Buch erschien 1983 in schwedischer Sprache und 1986 erstmals auf Deutsch. Es wurde nunmehr mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann neu veröffentlicht.

Der Roman ist mit seinen authentischen Erinnerungen und kraftvollen Reflexionen über eine Kindheit und Jugend in Zeiten des permanenten Terrors atemberaubend und verstörend zugleich. Bei der Schilderung der Zustände im Lager werden im Stile von Kurzgeschichten Ereignisse menschlichen Unglücks in den Text eingeflochten, die jedes für sich genommen eine Tragödie sind.

Der Roman ist zugleich die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, wo die ausgegrenzte und auserwählte Tochter die Mutter schützt, die sie wie die römische Göttin Proserpina auf die Wiese zum Blumenpflücken schickt und der Entführung in die Unterwelt ausliefert. Die Mutter versagt tragisch selbst da, wo sie der Tochter durch Adoption zu einer arrangierten zweiten Staatsbürgerschaft durch ein spanisches Ehepaar verhilft. Als die Sache auffliegt und beide von der Gestapo geladen werden, wird die Tochter vor die Wahl gestellt, ihre deutsche Staatsbürgerschaft abzugeben, sie sei dann frei, behalte sie diese, unterliege sie weiter den deutschen Rassegesetzen, bewahre aber ihre Mutter vor ernsten Konsequenzen wegen der Umgehung der Rassegesetze. Das Kind entscheidet sich für das Zweite, ohne dass die couragelose Mutter das verhindert.

Der Stil des Romans ist nie pathetisch. Mit chirurgischer Präzision und in einer oft schwer zu ertragenden Nüchternheit und Distanziertheit vermittelt Cordelia Edvardson die Entgrenzung des Menschen im Ausnahmezustand des Terrors. Zu Recht stellt Kehlmann das Buch in eine Reihe mit den Holocaust-Erinnerungen von Ruth Klüger, Primo Levi, Jean Amery, Imre Kertesz und Jorge Semprun.

(Ein Buchtipp von unserem lieben Kunden Mario Jorberg)


Cordelia Edvardson: Gebranntes Kind sucht das Feuer. Hanser Verlag 2023, € 22,00.

Mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann

Übersetzt von Ursel Allenstein

Teilen Sie diesen Beitrag - Wählen Sie die Plattform