Angelehnt an eine wahre Geschichte zeichnet Capus in seinem farbenprächtigen Roman das Leben der Susanna Faesch nach, die im 19. Jahrhundert unter dem Pseudonym Caroline Weldon in Nordamerika und weltweit durch ihr Porträt von Sitting Bull zu Ruhm gelangte.

Basel, Mitte des 19. Jahrhunderts: Susanna wächst in einem großbürgerlichen Haushalt auf und brennt schon als Schülerin für die Porträtmalerei. Sie versucht neben der Wiedergabe des Äußeren ihren Objekten auch Leben einzuhauchen und ihre Persönlichkeit darzustellen. Als sich ihre resolute Mutter in den Freund ihres Mannes, einem deutschen Revolutionär, verliebt, folgt sie diesem und wandert zusammen mit ihrer jungen Tochter nach Amerika aus. 

New York, Brooklyn: Susanna reift in der Neuen Welt zu einer jungen Frau heran und perfektioniert ihr künstlerisches Geschick soweit, dass sie gut davon leben kann. Nach einer gescheiterten Ehe zieht sie ihren Sohn Christie mit Unterstützung der Mutter allein groß. Nach deren Tod erbt sie ein passables Vermögen und kann so dem größten Wunsch ihres Sohnes stattgeben. Beide machen sich im Planwagen auf Spurensuche der amerikanischen Ureinwohner und treffen am Ende ihrer Reise auf den großen Sioux-Häuptling Sitting Bull. Hier schließt sich der Kreis.

Grandios schlägt Capus einen großen Bogen von der Schweiz nach Nordamerika im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ganz nebenbei erfährt der Leser viel über das Leben in der damaligen Zeit. Der Autor skizziert den Beginn einer modernen Zeitrechnung mit all ihren Errungenschaften, über Edison und die erste Glühlampe und weiter über den Bau der Brooklyn Bridge, die stolz das Cover des Buches ziert. Demgegenüber stellt er eine fast versunkene Welt, nämlich die der indigenen Urbevölkerung. 

Mit diesem bildhaften und mit prallem Leben gefüllten Roman erweist sich der Autor einmal mehr als ganz großer Geschichtenerzähler. Neben dem gründlich recherchierten Leben der realen Hauptfigur, das er fiktiv unterfüttert, macht er auf viele Probleme der damaligen Zeit aufmerksam, die große Spuren in der Geschichte hinterlassen haben und zum Teil bis heute nachwirken. Durch dieses vielfarbige Kaleidoskop gelebter Historie wird eine enorme Spannung aufgebaut, die durch den eher lakonischen Erzählstil des Autors noch zusätzlich verstärkt wird. Dieser Roman ist wie eine Wundertüte, spannend, bunt und tiefgründig!  

(Sylvia Jongebloed)


Alex Capus: Susanna. Hanser 2022, € 25,00.

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