In ihrem Debütroman verarbeitet die Autorin ihre eigene Familiengeschichte in einer fiktiven Erzählung, die vier Generationen umspannt. Herausgekommen ist ein literarischer Schmöker, gespickt mit historischen Fakten und einer spannenden Krimihandlung.

Hannah lebt in Berlin und schreibt ihre Doktorarbeit in Germanistik. Nach dem kürzlichen Tod ihrer Mutter ist sie in einer Art Schockstarre verharrt und lebt etwas ziellos vor sich hin. Einzig die wöchentlichen Besuche bei ihrer betagten Großmutter Evelyn reißen sie aus ihrer täglichen Routine. Bei einem dieser Besuche entdeckt sie einen Brief aus Israel, adressiert an Evelyn. Der Brief spricht von Bildern, während der Nazizeit verschollen, deren Erbin angeblich ihre Großmutter sein soll. Nachdem sie kein Wort der Erklärung aus ihr herausbekommen hat, beginnt Hannah nun auf eigene Faust zu recherchieren und deckt nach und nach ihre eigene Familiengeschichte auf, die ihr vorher vollkommen fremd war.

Ihre Zeitreise führt sie zurück bis zum Beginn der Zwanzigerjahre. Nach einer gescheiterten Ehe hat ihre Urgroßmutter Senta Mann und Tochter Evelyn verlassen und versucht nun in Berlin ihr Glück. Sie taucht ein in die Roaring Twenties, findet einen Job als Sekretärin und arbeitet sich als Journalistin hoch. Sie geht eine zweite Ehe ein mit dem Sohn eines jüdischen Kunsthändlers. Beide können gerade noch rechtzeitig vor den Nazis ins Ausland fliehen. Die Familie ihres Mannes bleibt zurück, weil sie die Tragweite der Entwicklungen nicht wahrhaben wollen.

Dies ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Geschehnisse, die vier Generationen von Frauen bewusst oder unbewusst nachhaltig prägen. Es geht um Mutterschaft und um Mutter sein oder nicht sein wollen, um Verantwortungsgefühl oder um Selbstverwirklichung. Weiterhin sind die Ereignisse während der Nazizeit ein großes Thema. Und nicht zuletzt steht Raubkunst im Fokus der Geschichte.

Dies alles vermischt die Autorin kunstvoll zu einem Potpourri aus prallem Leben. Literarisch ambitioniert blättert sie eine Familiengeschichte auf, die mit allem aufwartet, was Spannung ausmacht, Familiengeheimnisse, verschwundene Kunst, Krieg und Verfolgung, Schuld, Glück und Unglück, ein Jahrhundert deutscher Geschichte. Überzeugend und lesenswert!

(Sylvia Jongebloed)

Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid. dtv Verlag 2021, € 22,00.

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