Der bereits 2016 erschienene Roman des jungen belarussischen Autors ist jetzt endlich auch ins Deutsche übersetzt worden und füllt damit eine wichtige Lücke im Verständnis des aktuellen Geschehens in Osteuropa. Damals von manchem Kritiker als übertrieben bezeichnet, ist das Buch jetzt aktueller denn je und inzwischen von der Realität komplett eingeholt worden.

Südfrankreich: Slawin, ein russischer, staatsnaher Oligarch, residiert mit seiner Familie in einem pompösen Anwesen und lässt seine Kinder auf französische Eliteschulen gehen. Er genießt die Vorzüge Westeuropas und tummelt sich auf seiner Yacht zwischen den Schönen und Reichen. Wenn da nicht ein kleines Problem wäre, das sich bald als ein sehr großes erweist und das heißt Quint.

Russland: Der Investigativjournalist Anton Quint recherchiert wie ein Besessener an einer Enthüllungsstory über Slawin, der in seiner Heimat vehement alles Demokratische anprangert. Dieser Heuchelei und Doppelmoral sowie Korruption und dubiosen Geldgeschäften versucht Quint auf den Grund zu gehen und treibt dadurch seinen Widersacher immer mehr in die Enge.

Slawin sieht Rot. Er setzt seine Gefolgsleute auf den Plan. Ziel ist es, Quint auszuschalten, nicht durch Mord, sondern durch ein besonders perfides Mittel, nämlich Psychoterror. Die (Hetz-)Jagd wird ausgerufen. Der Terror beginnt mit Lärm in seinem Wohnhaus, böse Gerüchte machen die Runde und es wird eine ungeheure Schmutzkampagne gestartet. Aber Quint ist hartnäckiger als gedacht. Umgehend werden ihm die Daumenschrauben angelegt, man nimmt sich nun seiner Familie an, schonungslos und brutal. Das Geschehen eskaliert komplett. Jetzt sieht Quint Rot ….

Filipenko hat in Russland studiert und dort als Journalist und Autor gearbeitet. Seine nicht systemkonforme Haltung sowohl gegen seine Heimat Belarus als auch Russland hat 2020 dazu geführt, dass er mit seiner Familie nach Westeuropa ins Exil gehen musste. Ein Autor, der ganz genau weiß, wovon er schreibt. So ist dieses Buch nicht einfach nur ein Thriller, sondern birgt einen Realismus und eine Brutalität in sich, die manchmal schwer zu ertragen sind. Aktuelles und sorgfältig recherchiertes Zeitgeschehen kombiniert mit Hochspannung auf hohem literarischen Niveau machen diesen Roman aus. Der schnelle Schreibstil macht ihn zu einem wahren Pageturner mit einem ungewöhnlichen aber schlüssigen Ende. Verstörend, aufwühlend, beeindruckend, genial!

(Sylvia Jongebloed)


Sasha Filipenko: Die Jagd. Diogenes 2022, € 23,00.

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