In seinem neuen historischen Roman erzählt Robert Harris von dem turbulenten englischen 17. Jahrhundert. Diese Zeit war geprägt von Bürgerkrieg, Systemwechsel und Glaubenskämpfen.

Die Geschichte beginnt kurz nach dem Ende der Herrschaft von Oliver Cromwell. Von 1642 an war er eine treibende Kraft im Englischen Bürgerkrieg. Die Anhänger des Parlaments kämpften damals unter Cromwell gegen die Royalisten. Wie in weiteren Teilen Europas ging es hier um verschiedene Glaubensrichtungen, aber auch um die geeignete Staatsform.

Die Roundheads, wie die Aufständischen genannt wurden, gewannen 1649 den Krieg, schafften die Monarchie ab und ließen die Gewaltspirale in der Hinrichtung des absolutistischen Königs Karl I. gipfeln. Für dessen Anhänger war dies ein Sakrileg und Robert Harris erspart uns nicht die schaurigen Details zum Ablauf dieser Hinrichtung. Es folgte die Errichtung zunächst einer parlamentarischen Republik, dann einer puritanisch-militärischen Autokratie unter Cromwell.

Nach dessen Tod griff der Sohn des geköpften Königs erfolgreich nach der Macht. Das Parlament verlieh ihm 1660 die Königswürde. Nun wurde zwar mit dem „Act of Oblivion“ die große Masse der Aufständischen begnadigt, nicht jedoch deren Anführer. Vor allem diejenigen, die das Todesurteil Karls I. unterzeichnet hatten, wurden gnadenlos gejagt.

Zwei dieser Königsmörder sind Edward Whalley und William Goffe. Sie begleiten wir auf ihrer Flucht in die englischen Kolonien in Amerika. Mit diesen beiden Hauptfiguren werden Menschen am Rande der Gesellschaft portraitiert. Ihr Weg durch Amerika zeigt das Leben und die Nöte von einfachen Menschen, aber auch die Aufbruchstimmung, die in dieser Zeit herrschte. Daneben sind diese beiden Personen auch von historischem Interesse. Ihr Leben und ihr Anteil an dem politischen Umsturz sind ebenso belegt wie ihre Flucht.

In einem weiteren Erzählstrang berichtet Robert Harris von Richard Nayler, dem fanatischen Spürhund des Kronrats. Dessen Lebenszweck wird im Laufe der Jahre immer mehr geprägt von Rachegelüsten. Er will die Königsmörder unbedingt zur Strecke bringen. Dies gilt besonders für die beiden letzten noch Flüchtigen, Whalley und Goffe, mit denen er eine persönliche Rechnung offen hat.

Viele historisch verbürgte Persönlichkeiten versammeln sich in diesem Buch. Nur Nayler taucht in den Quellen, die Robert Harris bei seiner Recherche durchforstete, mit diesem Namen und seiner hier geschilderten Biographie so nicht auf. Das scheint auch der einzige Kunstgriff gewesen zu sein, denn was immer man sonst in diesem großartigen Roman an historischen Ereignissen, Orten und Personen findet, lässt sich exakt so an anderen Stellen nachlesen. Das ist die Kunst von Robert Harris, dem großen Historiogaphen unserer Zeit: Faktenreiche Geschichte auf eine unglaublich spannende Art zu erzählen, die nicht nur belehrt und mit großem Wissen bereichert, sondern mehr Freude macht als so manche Fiktion. Er macht Geschichte für uns fühlbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das 17. Jahrhundert erscheint plötzlich gar nicht mehr so fremd.

(Birgit Lingmann)


Robert Harris: Königsmörder. Heyne 2022, € 24,00.

Übersetzt von Wolfgang Müller.

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