Diese Geschichte spielt zwar im Hochmittelalter, ist aber im eigentlichen Sinn kein historischer Roman, sondern eine Utopie. Das Leben der Poetin Marie de France ist historisch verbürgt, leider sind nur wenige Fakten über sie überliefert. Das wiederum hat sich die Autorin zu Nutze gemacht und eine faszinierende Geschichte um diese schillernde Figur gewebt, die so durchaus hätte sein können. Der Titel kommt von dem lateinischen Wort Mater für Mutter.

London im 12. Jahrhundert: Marie wächst als eines der vielen unehelichen Kinder des Königs auf. Sie ist von ungelenker Gestalt, für eine Frau sehr groß und entspricht so gar nicht dem damaligen Schönheitsideal. Ihre Halbschwester, Eleonore von Aquitanien, sieht wenig Chancen auf eine standesgemäße Verheiratung, möchte sie deshalb schnell loswerden und verbannt sie in ein altes Kloster. Die erst 17-jährige Marie, die abgöttisch an ihrer Schwester hängt, macht sich nur widerwillig auf den Weg. So landet sie schließlich in einem heruntergekommenen Kloster, wo nicht nur Hunger der tägliche Begleiter ist, sondern an allen Ecken und Kanten Missstände herrschen.

Schon bald steigt Marie zur Äbtissin auf. Durch ihre scharfe Beobachtungsgabe hat sie schnell die Schwachstellen erkannt, die zu diesen desolaten Zuständen führten. Unmerklich reift in ihr der Entschluss, alles anders und besser machen zu wollen als ihre Vorgängerin. So teilt sie als erstes die Arbeiten anders ein. Weiterhin modernisiert sie Ackerbau und Wasserwirtschaft. Sie lässt eine Art Labyrinth um das Kloster bauen, das vor Gefahren von außen schützen soll. Sie baut eine kluge und besonnene Führungsriege auf, die vor Neid und Missgunst innerhalb der eigenen Reihen schützen soll. So prosperiert das Kloster zu Reichtum und Ansehen innerhalb der Kirche und auch Eleonore kann sich einer neidvollen Bewunderung nicht entziehen.

Die Autorin spannt den Bogen über neun Jahrhunderte bis in die heutige Zeit. Ihre Protagonistin macht vor, wie man ein Unternehmen humanistisch, gleichberechtigt und stringent führen kann. 

Die Geschichte packt und begeistert von der ersten Seite an. Die sehr besondere und wunderschöne Sprache ist einfach ein Lesegenuss. Literarisch auf hohem Niveau, bunt und schillernd und mit einer unvergesslichen Heldin bleibt dieser Roman noch lange in unserer Erinnerung haften. Ein ganz besonderes Leseerlebnis gerade in unseren heutigen unsicheren Zeiten, herausragend!

(Sylvia Jongebloed)


Lauren Groff: Matrix, Claassen 2022, € 24,00.

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