Die isländische Autorin packt ihre Leserschaft wieder bei ihren Urängsten. Allein Dunkelheit, Einsamkeit, Kälte und das grandiose Setting der isländischen Natur sorgen schon für das bekannte Frösteln und die wohligen Schauer, die einen guten Krimi ausmachen. Psychologisch fein gezeichnete Charaktere und eine sehr spannende Handlung runden das Bild ab.

Ein luxuriöser Hof im Nirgendwo der isländischen Weite wird zum Schauplatz eines grausigen Verbrechens. Karl hat schon seit knapp einer Woche kein Lebenszeichen mehr von seinen nächsten, entfernt gelegenen Nachbarn vernommen. In der Dunkelheit macht er sich auf bei eisiger Kälte und pfeifendem Wind, um nach dem Rechten zu sehen. Was ihn dann erwartet, hätte er sich selbst in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.

Asa und Reynir haben ein Vermögen im Ausland gemacht. Nachdem sie ihr Unternehmen verkauft haben, sind sie mit ihren beiden Töchtern in die Einöde ihrer isländischen Heimat gezogen. Sie haben einen alten Hof gekauft und daran einen modernen Prachtbau mit Glasfronten gebaut, der durch einen verglasten Gang mit dem alten Hof verbunden ist. Asa, attraktiv und extrovertiert sowie ihr eher ruhiger, aber sympathischer Mann Reynir werden von den Nachbarn, alle seit Generationen Bauern, erst zurückhaltend beäugt. Aber besonders ihre direkten Nachbarn, Karl und Ella, schließen bald die gesamte Familie in ihr Herz.

Soldis, eine Studentin, die gerade ihre Masterarbeit schreibt, hat sich nach einer gescheiterten Beziehung, auf die Anzeige von Asa beworben und arbeitet nun als Haushaltshilfe für die Familie. Sie ist für das Kochen zuständig und kümmert sich sowohl um die beiden Mädchen als auch um die wenigen Tiere. Ausgerechnet Soldis ist es, die unfreiwillig zu einer der Hauptfiguren in diesem Drama avanciert. In Rückblenden erzählt sie aus ihrer Sicht, was davor geschah und wie es zu dieser Tragödie ungeahnten Ausmaßes kommen konnte.

Ein altes Bauernhaus, in dem es zu spuken scheint mit einem Keller, den niemand betreten darf sowie einer Familie, die mehr Probleme mit sich herumschleppt, als es auf den ersten Blick scheint und noch dazu das ungewöhnliche Setting schaffen eine beklemmende und schaurige Atmosphäre. Der Autorin ist wieder ein ganz spezieller Coup in der aktuellen Krimiszene gelungen. Sie überrascht mit jedem Buch aufs Neue. Keine Geschichte gleicht der anderen und ihr geht niemals der Stoff aus, aus dem ein packender Krimi gemacht ist. Trotz der vorkommenden Grausamkeiten werden diese nie detailliert dargestellt oder effekthascherisch in die Handlung verwoben. Genießen Sie eisige Hochspannung pur, während draußen der Herbstwind um die Häuser streicht!

(Sylvia Jongebloed)


Yrsa Sigurdardóttir: Nacht. btb Verlag 2023, € 18,00.

Übersetzt von Anika Wolff

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