Der Kunsthistoriker Schlesser schoss in seiner Heimat Frankreich mit seinem Romandebüt sofort von Null auf Platz 1 der Bestsellerliste. Die Geschichte liest sich nicht nur wie eine unterhaltsame Einführung in die Kunstgeschichte. Sondern sie zeigt auch, wie Kunst ein Leben positiv beeinflussen, wenn nicht sogar zur Heilung einer Erkrankung beitragen kann.

Mona ist 10 Jahre alt, lebenslustig, voller Energie und Neugierde. Sie wächst behütet in einem intakten Umfeld auf. Doch von einem Tag auf den anderen ändert sich alles. Ihr wird plötzlich schwarz vor Augen, sie kann nicht mehr sehen. Dieser Zustand hält eine gute Stunde an. Die sofort konsultierten Ärzte können keine Ursache finden und empfehlen den besorgten Eltern, einen Kinderpsychiater aufzusuchen. Doch das Ereignis bleibt wie ein Damoklesschwert über Mona hängen. Denn, sollte es sich wiederholen, würde die Erblindung endgültig sein.

Jetzt kommt Henry, Monas Großvater, ins Spiel. Die Eltern bitten ihn, sie zu den Therapiesitzungen zu begleiten. Henry, der nicht viel davon hält, stimmt zwar zu, hat aber bereits andere Ideen im Sinn. So beginnt eine Tour durch verschiedene Pariser Museen. Jeden Mittwoch treffen sich Großvater und Enkelin, um angeblich zum „Psychiater“ zu gehen. Tatsächlich steht jede Woche ein anderes Kunstwerk auf dem Plan. Zuerst ist für Mona alles einfach nur neu und aufregend, aber schnell findet sie Gefallen an der bildenden Kunst und ihre Begeisterung wächst von Woche zu Woche. Die Erklärungen ihres Großvaters zu den einzelnen Werken fallen bei ihr auf fruchtbaren Boden. Sie lernt schnell in den Bildern zu lesen. Ihre Augen werden zu 100 Prozent gefordert und trainiert. Das ist Teil des Plans, der andere besteht darin die Kunstwerke zu verstehen, Kraft daraus zu schöpfen und sie für immer vor dem inneren Auge zu haben, falls es doch zum Schlimmsten kommen sollte. Nach einem Jahr ist die Reise zu den schönsten Kunstwerken unserer Zeit, so der Untertitel des Buches, zu Ende. Ist der Plan dann aufgegangen?

Ein Buch, das Spaß macht und gleichzeitig bildet, geht das? Auf jeden Fall. Der Autor hat es bewiesen, indem er gekonnt den Spagat zwischen Unterhaltungs- und Bildungsliteratur schafft. Meisterhaft verbindet er Kunstgeschichte, Historie, Geographie und Zeitgeschehen miteinander ohne je staubtrocken oder gar dozierend rüberzukommen.

Wer sich schon immer für Kunstgeschichte begeistert hat, wird dieses Buch lieben. Wer aber bisher nur wenig mit bildender Kunst zu tun hatte, wird begeistert sein und süchtig danach werden. Der Roman ist für Leser*innen von 16 bis 99 Jahre geeignet und nahezu das perfekte Weihnachtsgeschenk. Dieser Roman ist ein Highlight in diesem Winter. Er macht graue Tage bunter und wärmt von innen.

(Sylvia Jongebloed)

Thomas Schlesser: Monas Augen, Piper Verlag 2024, € 26,00.

Übersetzt von Nicola Denis

Das Buch in unserem Onlineshop:

Teilen Sie diesen Beitrag - Wählen Sie die Plattform