Die Autorin nimmt uns mit in ein Paris jenseits jeder Postkartenidylle. Sie entwirft das Panorama einer Metropole, die stellvertretend für andere europäische Großstädte steht, und besonders krass die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich darstellt. Sie steht ihrem Kollegen Michel Houellebecq in nichts nach, geht die Problematik nur aus einem anderen Blickwinkel an.

Wir brechen zusammen mit dem Protagonisten, Benjamin Grossman, in die Problemviertel auf, die nicht weit entfernt von den angesagten Stadtteilen und Touristenattraktionen liegen. Hier leben Migranten, illegale Flüchtlinge und andere sozial schwache Menschen. In diesem Moloch ist Grossman in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Aber er hat es geschafft. Aus dem einstigen Jungen aus der Vorstadt ist der Leiter eines amerikanischen Streaming-Dienstes für Europa geworden. Nach einem der seltenen Besuche bei seiner Mutter kommt ihm sein Handy mit unersetzlichen Telefonnummern abhanden. Er läuft dem vermeintlichen Dieb, einem Jungen, hinterher und schubst ihn gegen einen Eisenzaun. Damit setzt er eine Kette von Ereignissen in Gang, die sich schnell wie ein Flächenbrand ausbreiten.

Am nächsten Morgen wird dieser Junge von drei Polizisten tot aufgefunden. Die junge Polizistin tritt ihn erst grob in die Seite, weil sie annimmt, er wäre im Alkohol- oder Drogenrausch. Eine Jugendliche filmt genau diese Szene mit ihrem Handy und setzt das Video ins Netz. Was jetzt passiert, entbehrt jeglicher Vorstellungskraft. Es kommt zu einem Aufstand gegen Polizeigewalt, begleitet von verheerenden Unruhen mit Toten und Verletzten. Aber was ist wirklich passiert, wieso ist der Junge tot, was hat Grossman damit zu tun und wo ist das Handy mit dem brisanten Inhalt?

Die in einem dieser Problemviertel aufgewachsene, iranischstämmige Autorin entwirft ein authentisches und atmosphärisch dichtes Bild über die sich verstärkenden sozialen Gegensätze in unseren Großstädten. Ihr ist ein brillanter Gesellschaftsroman gelungen, der sich flott liest wie ein Krimi, aber so viel mehr ist als das. Es wird nicht nur der Finger in die Wunde gelegt, sondern es werden auch existentiell wichtige Fragen gestellt. Wie soll das Zusammenleben einer so konträren Gesellschaft in der Zukunft aussehen? Wird es Wege zu einer friedlichen Lösung mit einem einträchtigen Miteinander geben? Ein Buch, das überzeugt, betroffen und süchtig macht!

(Sylvia Jongebloed)


Négar Djavadi: Die Arena. C.H. Beck 2022, € 26,00.

Teilen Sie diesen Beitrag - Wählen Sie die Plattform