Die südkoreanische Autorin Seo ist in ihrer Heimat längst ein Star in der Krimiszene. Ihre Bücher stehen regelmäßig ganz oben auf den Bestsellerlisten und die Verfilmung ihres aktuellen Thrillers  Der rote Apfel ist in Vorbereitung.

Eine Serie von Brandstiftungen erschüttert seit Monaten Seoul, ohne dass erkennbare Spuren ermittelt werden konnten. Beim sechsten Brand wird ein kleines Mädchen zwar körperlich unversehrt, aber schwer traumatisiert geborgen. Es stellt sich heraus, dass sie bei ihren Großeltern gelebt hat, die bei dem Brand ums Leben gekommen sind. Der Vater der Kleinen holt sie zu sich und seiner zweiten Frau, der Kriminalpsychologin Sonkyong.

Diese hat etwa zum gleichen Zeitpunkt einen verstörenden Anruf aus dem Gefängnis erhalten. Der verurteilte Serienmörder und Vergewaltiger von 13 Frauen, Byongdo, möchte mit ihr sprechen. Das kommt einer großen Sensation gleich, denn bislang hat er sich allen Gesprächen verweigert. Die Behörden versprechen sich einerseits in Puncto Aufklärung der Verbrechen sehr viel davon, aber andererseits raten sie ihr auch davon ab, weil sie manipulative Aktionen des Inhaftierten erwarten. Sonkyong, von ihren Studenten bewundernd „Clarice“ genannt (nach der FBI-Ermittlerin in „Das Schweigen der Lämmer“), ist anfangs überhaupt nicht begeistert. Sie kennt diesen „Dämon mit dem Engelsgesicht“ nur aus der Presse und fragt sich, warum will er unbedingt sie sprechen. Das erste Gespräch verläuft sehr überraschend und sie erfährt zwischen den Zeilen mehr über ihn, als die Akten hergeben. Zum Schluss bittet er sie beim nächsten Treffen einen saftigen roten Apfel mitzubringen.

Erschöpft fährt sie nach Hause und findet auf dem Sofa ein kleines, etwa neunjähriges Mädchen vor, Hayong, die Tochter ihres Mannes aus erster Ehe. Auch dies ist das erste Treffen, hatte doch die verstorbene Mutter jeden Kontakt zum Kindsvater und seiner neuen Familie verboten. Die Welt von Sonkyong stellt sich von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Nichts ist mehr so wie es vorher war.

Die Autorin arbeitet in ihrem Thriller mit sehr viel Symbolik. Anspielungen auf den vorher genannten Film, ein relativ unbekannter Beatles-Song und nicht zuletzt der rote Apfel spielen eine große Rolle. Herausgekommen ist ein Thriller der Extraklasse mit einem nicht vorhersehbaren fulminanten Finale. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt in einer klaren, knappen Sprache, während das Grauen seinen Lauf nimmt. Subtil wird das Kopfkino des Lesers angeheizt und an der Spannungsschraube gedreht. Lassen sie sich nicht durch das scheinbar harmlose Cover täuschen, dahinter verbirgt sich 1000 Volt Krimispannung. Unbedingt Lesen!

Mi-Ae Seo: Der rote Apfel. Heyne 2020, € 12,99.

Das Buch finden Sie hier in unserem Onlineshop.

Teilen Sie diesen Beitrag - Wählen Sie die Plattform