„Die Freundlichkeit von Fremden“, sagte Reacher, „bewirkt, dass die Welt sich dreht.“

Lee Childs Jack Reacher ist für mich ein zuverlässiger Begleiter, wenn ich einen guten, soliden, spannenden Krimi brauche. Es gibt nur wenige Buchreihen, die mich immer wieder absolut begeistern mit jedem neuen Band. Die Jack Reacher-Reihe gehört definitiv dazu.

In seinem inzwischen 24. Fall legt sich Reacher in Mississippi mit der albanischen und ukrainischen Mafia an. Wie man es von ihm kennt, fährt er im Greyhound-Bus durch die USA, im Gepäck nur seine Zahnbürste und etwas Bargeld, ohne Ziel und festen Wohnsitz, und beobachtet die Leute um sich herum. Mit dem messerscharfen Instinkt des ehemaligen Militärpolizisten nimmt er feinste Nuancen wahr und hat ein ausgeprägtes Gespür für kriminelle Machenschaften und für Dinge, die nicht stimmen. Da er außerdem so einer ist, der nicht wegsehen kann, wenn jemandem Unrecht geschieht, mischt er sich ein und ist prompt an der Seite eines älteren Herrn namens Aaron Shevick, als dieser überfallen wird. Schnell wird klar, dass Mr Shevick in größeren Problemen steckt, als durch den Überfall einige Blessuren davongetragen zu haben. Denn er hat sich von den falschen Leuten Geld geliehen und kann es nicht zurückzahlen. Reacher beschließt, ihm bei der Lösung dieses scheinbar unlösbaren Problems zu helfen. Die Geldverleiher sind brutale Kredithaie der albanischen Mafia, mit denen nicht zu spaßen ist. Weil zur gleichen Zeit jedoch der lokale ukrainische Mafiaboss eine Intrige gegen die albanische Konkurrenz spinnt und deren Kreditgeschäft übernimmt, grätscht Reacher erfolgreich in die Rivalität der beiden Clans hinein und startet eine Offensive gegen das Verbrechen. Auf Reachers Feldzug geht einiges zu Bruch und seine Problemlösung fällt etwas blutiger, etwas erbarmungsloser aus, als man es von ihm gewohnt ist. Mehr möchte ich nicht verraten, nur so viel – Reacher-Fans kommen hier absolut auf ihre Kosten. 

Der erste Band wurde vor kurzem als Serie verfilmt, den neunten und den achtzehnten Band kann man als Film anschauen. Bei der üblichen Beschreibung von Jack Reacher als etwas unschönen Hünen fragt man sich schon, wieso ausgerechnet Tom Cruise in der Hauptrolle in den Filmen zu sehen ist. An die Bücher kommen jedenfalls weder die Serie noch die Filme heran. Die nüchterne Art, wie Reacher Situationen einschätzt und mit Schwierigkeiten umgeht, die präzise Beschreibung der Menschen und der Umgebung, die knackigen, knappen Dialoge – das alles schafft eine ganz besondere Atmosphäre, in der sämtliche Eindrücke und Interpretationen auf das schnörkellose Wesentliche reduziert werden. Die Spannung entsteht besonders durch diese Fokussierung. 

Wer noch keinen Reacher gelesen hat, kann prima mit diesem oder mit irgendeinem anderen Band einsteigen. Die Bücher nehmen nur sehr selten und wenn, dann nur marginal Bezug aufeinander und so kann man tatsächlich jeden Band ganz wunderbar lesen, ohne die Vorgänger kennen zu müssen. 

(Birgit Lingmann)


Lee Child: Die Hyänen. Blanvalet 2022, € 22,00.

Originaltitel: Blue Moon (Reacher 24). Übersetzt von Wulf Bergner.

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