Die mehrfach ausgezeichnete Autorin war mit ihrem aktuellen Roman u.a. für den Deutschen Buchpreis nominiert. Selbst in Siebenbürgen geboren, erzählt sie hier von Menschen im Banat/Rumänien und liefert zugleich ein Zeitzeugnis der wechselvollen und bewegten Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa ab.

Es geht um sieben Menschen im Banat, miteinander verwandt oder freundschaftlich verbunden, deren Lebenswege sich immer wieder kreuzen. Episodenhaft werden die Geschichten um Johann und Karline erzählt. Deren Sohn, der Jungpfarrer Hannes, tritt in einem kleinen Dorf seine erste Pfarrstelle an und gründet dort mit Florentine eine Familie. Hier kommt auch ihr Sohn Samuel zur Welt. Dessen Freund Oz will Rumänien verlassen, doch er bekommt keine Ausreisegenehmigung. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch das homosexuelle Paar Bene und Lothar, aber dieser Part löst sich erst später im Buch auf. So sind die Lebensgeschichten dieser und anderer Personen irgendwie miteinander verwoben. Sie begegnen einander, manche bleiben und andere entfernen sich wieder. Irgendwann entsteht aus diesen einzelnen Episoden kaleidoskopartig ein ganzes Bild.

Entstanden ist eine aufwühlende Geschichte vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Ostblocks und anderer zeitgeschichtlicher Ereignisse. Oft ist der reale Zeitbezug unscharf gezeichnet, dieses wiederum verleiht dem Leben der einzelnen Hauptfiguren mehr Schärfe und stellt sie äußerst plastisch dar. Hieraus erschließt sich auch Titel des Buches.

Was diesen Roman so besonders macht, ist die poetische, fast lyrische Sprache einhergehend mit einer prägnanten Charakterzeichnung. Kunstvolle Landschaftsbeschreibungen und eine fast sinnliche Darstellung von Essen sowie dessen Zubereitung runden dieses Gesamtbild ab und vermitteln dem Leser das Gefühl, sich mitten in der Geschichte zu befinden. Ein grandioses Buch, eines der besten dieses Jahres, einfach Lesegenuss pur!

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt. Klett-Cotta 2020, € 20,00.

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