Die Waliserin Reece versteht es meisterhaft, das französische Lebensgefühl in ihrem bemerkenswerten Debüt einzufangen. Sommer, Sonne, Wein und gutes Essen gepaart mit dem Zeitgeist einer Epoche gaukeln eine Wunschwelt vor, die durch die harte Realität eingeholt wird.

Südfrankreich: Die Mittzwanzigerin Leah hat beruflich eine Chance bekommen, von der viele junge Frauen nur träumen. Nachdem sie sich in Paris mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hat, wird ihr eine Stelle als Assistentin bei einem Schriftsteller angeboten. Sie soll seine Tagebücher aus den 60er und 70er Jahren sortieren und digitalisieren. Begeistert sagt sie zu und findet sich in traumhafter Umgebung auf seinem Anwesen in Südfrankreich wieder. Doch das unkonventionelle Leben hat auch Schattenseiten und wie nahende Gewitterwolken drängen sie immer mehr an die Oberfläche einer ebenso schillernden wie maroden Gesellschaft.

Der Ruhm des alternden Schriftstellers, Michael, ist längst vergangen. Er hat seit zwanzig Jahren eine Schreibblockade und versucht nun mithilfe seiner Tagebuchaufzeichnungen ein Comeback. Je mehr Daten Leah sichtet, umso mehr pikante und brisante Details kommen ans Licht und überfordern sie zunehmend. Das ausschweifende Leben im London der 60er Jahre und die Zeit in Griechenland während der Militärjunta in den 70er Jahren werden detailliert beschrieben und so manches Geheimnis, auch politischer Natur, drängt an die Oberfläche. Spätestens als ein unerwarteter Gast in die Szenerie platzt und explosive Fotos auftauchen, ist es mit der scheinbaren Idylle vorbei.

Vage Andeutungen und Hinweise befeuern die Spannung in diesem Roman. Ein Hauch von Tristesse wabert durch die Seiten und erinnert an die junge Sagan. Schnelle Perspektivwechsel zwischen den beiden Protagonisten sowie verschiedenen Zeitebenen geben der Geschichte zusätzlich Schwung. Die besonders bildhafte, schöne Sprache erzeugt eine faszinierende Atmosphäre von sommerlicher Wärme, Düften und Geräuschen und spricht alle Sinne an. Zikaden zirpen und Glühwürmchen leuchten durch die nach Lavendel duftenden Seiten. Kurzum eine perfekte Sommerlektüre mit Tiefgang und süffig wie ein guter Wein!

(Sylvia Jongebloed)


Francesca Reece: Ein französischer Sommer. S. Fischer 2022, € 24,00.

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