Diese kleine exquisite Novelle beinhaltet in sehr konzentrierter Form mehr Stoff als mancher dicke Wälzer ohne überfrachtet zu sein. Auf den ersten Blick geht es um die früheren Magdalenen-Wäschereien in Irland, auf den zweiten um Zivilcourage und den Mut einzelner Menschen, gegen Missstände aufzubegehren.

Wir gehen zurück in die 80er Jahre in Irland. Der Protagonist, Bill Furlong, ist Kohlehändler. Aus einfachen, eher ärmlichen Verhältnissen stammend hat er sich sein erfolgreiches kleines Unternehmen hart erarbeitet. Er ist glücklich verheiratet und hat fünf Töchter, denen er einen besseren Start ins Leben ermöglichen möchte, als er ihn hatte. Es ist Vorweihnachtszeit und Bill hat eine Kohlelieferung für den ortsansässigen Nonnen-Orden. Hierbei macht er eine schreckliche Entdeckung, die sein Leben in den Grundfesten erschüttert. Er ist etwas früher dran als geplant und platzt in eine verstörende Szenerie. In dem Kohleschuppen befindet sich ein verängstigtes, eingesperrtes Mädchen. Zutiefst verstört und verfroren berichtet sie ihm, dass die Nonnen ihr ihr neugeborenes Kind weggenommen haben. Mit Gewissensnöten kämpfend steht Bill jetzt vor der größten Entscheidung seines Lebens.

Die Magdalenen-Wäschereien wurden bis 1996 im katholischen Irland von Nonnen betrieben. Sogenannte „gefallene“ Frauen und Mädchen, die uneheliche Kinder gebaren, wurden hier beschäftigt. Die Wäschereien hatten hohes Ansehen bei der Bevölkerung, waren sie doch sehr zuverlässig und äußerst sauber. Jeder, der etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, ließ hier seine Wäsche waschen. Gerüchte darüber, was hinter den Mauern dieser Wäschereien wirklich geschah, wurden bewusst an die Seite geschoben und ignoriert, um die eigenen Befindlichkeiten nicht zu gefährden und sich nicht mit der mächtigen Institution Kirche anzulegen.

Mit diesem Roman ist der Autorin ein tiefgründiges und genial komponiertes Meisterwerk gelungen, das zudem in einer erstklassigen Übersetzung vorliegt. Meisterin der Verknappung wird sie auch genannt. So ist ihr Stil knapp und auf den Punkt kommend. Das Thema ihrer Geschichte ist zeitlos und begleitet uns seit Menschengedenken: Zivilcourage, das Vertreten von humanen und demokratischen Werten ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen für die eigene Person. Ein großes Buch in einem schmalen Einband!

(Sylvia Jongebloed)


Claire Keegan: Kleine Dinge wie diese. Steidl Verlag 2023. € 20,00.

Übersetzt von Hans-Christian Oese.

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