Im Januar traf sich unser Literaturkreis. Wir sprachen über unsere Lieblingsbücher, schlemmten und verliehen nach eingehender Diskussion schließlich den Preis “Funky Buch des Jahres 2019“. Dies ist der Sieger – vorgestellt von einem lieben Mitglied unserer Jury, nämlich von Susanne Hunke!

Man nimmt dieses Buch in die Hand und weiß nach dem ersten Absatz, dass man es sofort zu Ende lesen muss. Kein Satz ist zu viel, keiner zu wenig. Das Buch hat nur 88 Seiten, aber man kann es dreimal lesen und ist immer noch begeistert.

Es beginnt mit dem Tod der Mutter am 07.04.1986 im Altersheim. Schon der erste Satz erinnert an Camus´ “Der Fremde“. Zwei Wochen danach beginnt Annie Ernaux mit diesem einfühlsamen Buch. Es ist eine bleibende Erinnerung an eine große Frau, es ist eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung, es ist eine Biographie in Romanform, es ist große Literatur, Soziologie und Geschichtsschreibung in einem.

Die Autorin beschreibt das Leben ihrer Mutter, einer einfachen Frau aus Arbeiterverhältnissen. Später hatte sie einen kleinen Laden, der gleichzeitig Küche und Wohnzimmer war. Sie bekam eine Tochter, die im Alter von sechs Jahren an Diphterie gestorben ist. Einige Jahre danach wurde ihr wieder eine Tochter geboren (die spätere Autorin Annie Ernaux). Mehr Kinder durften es nicht sein, denn nur einem konnte man nach ihrer Ansicht eine Zukunft in besseren Kreisen bieten. Ihre vier Geschwister sind verbittert, von Alkohol und Armut gekennzeichnet, schon früh gestorben. Ein Leben lang kämpfte sie darum, ihren sozialen Status zu verbessern, doch erst der Tochter gelingt das. Damit entsteht eine Distanz zwischen der Tochter und der Mutter. Erst mit der Krankheit (Alzheimer) gibt es eine Wiederannäherung der beiden. Je hilfloser die Mutter wurde, umso mehr wuchs die Liebe zu ihr.

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