Die italienische Autorin, während des Zweiten Weltkriegs als Widerständlerin zweimal inhaftiert, war später Radio- und Fernsehjournalistin. Außerdem schrieb sie Prosa und Lyrik. Ihre Romane, jetzt neu entdeckt, wurden alle Bestseller.

Rom, Anfang der Fünfzigerjahre: Wie jeden Sonntag holt Valeria im Tabakladen nebenan Zigaretten für ihren Mann Michele. Dabei fällt ihr ein Stapel schwarzer Notizbücher auf, wovon sie eines aus einem Impuls heraus kauft. Sie beginnt zu schreiben und setzt so eine Kettenreaktion in Gang. Als Ehefrau und Mutter von zwei Kindern lebt sie in bescheidenen und beengten Verhältnissen. Sie füllt die Familienkasse durch einen kleinen Bürojob auf. Schon lange fühlt sie sich von ihrem nahen Umfeld nicht mehr wahrgenommen. Seit Jahren hat sie ihren Namen nicht mehr gehört. Alle nennen sie nur Mamma. Je mehr sie sich ihren Frust von der Seele schreibt, um so größer wird ihre Desillusionierung. Sie fühlt sich als Mensch ohne Persönlichkeit, deren Bedürfnisse zugunsten derer der anderen immer zurückstehen. Es findet sozusagen eine Rebellion nach innen statt, nach außen bleibt sie scheinbar die alte Person. Dann beginnt sie eine zarte und zurückhaltende, der damaligen Zeit sehr angepasste Affäre mit ihrem Chef.

Valeria ist erst 43 Jahre alt und fühlt sich bereits als alte Frau. Erst durch das Schreiben beginnt sie wieder, sich selbst zu fühlen und ihre Bedürfnisse zu spüren. Sie gerät in einen massiven inneren Konflikt. Für eine offene Rebellion fehlt ihr der Mut. Dem Ausleben einer neuen Beziehung stehen die Konventionen der Zeit und nicht zuletzt der vorherrschende Katholizismus im Weg. Gefangen in einem Korsett von Verpflichtungen und geplagt von Selbstzweifeln muss sie sich entscheiden, wie ihr Leben weitergehen soll.

Es ist ein Geschenk, dass diese zu Unrecht in Vergessenheit geratene Autorin wieder neu aufgelegt worden ist. Um so mehr, als dieses erstmals 1952 erschienene Buch aktueller denn je ist. In Tagebuchform aus der Sicht der Protagonistin geschrieben, beschreibt Céspedes ein Frauenleben in einer von Männern dominierten Welt. In einer lakonischen und eindringlichen Sprache macht sie das Unsichtbare sichtbar und legt den Finger auf die Wunde. Literatur vom Feinsten, die dem Vergleich mit Virginia Woolf oder Simone de Beauvoir standhalten kann. Grandios!

(Sylvia Jongebloed)


Alba de Céspedes: Das verbotene Notizbuch. Insel Verlag 2021, € 24,00.

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