Der preisgekrönte französische Schriftsteller und Journalist ist hierzulande vor allem durch seinen im letzten Jahr erschienenen Roman „Am Tag davor“ bekannt geworden.

In „Wilde Freude“ geht es um ein Ausnahmethema. Die Protagonistin Jeanne bekommt die niederschmetternde Diagnose Brustkrebs. Ihre bereits zerrüttete Ehe hält diese Belastungsprobe nicht mehr aus, und so steht sie von heute auf morgen vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Bei der Chemotherapie lernt sie Brigitte kennen. Die beiden Frauen freunden sich an und die starke Brigitte wird ihr zu einer großen Stütze und Freundin. Nachdem ihre Ehe immer unerträglicher wird, zieht sie vorläufig zu Brigitte und deren Lebensgefährtin und einer weiteren Krebspatientin. Die Unterstützung, die sie dort erfährt, lässt sie nach und nach eine Andere werden. Sie, von den anderen spöttisch Jeanne Sorry genannt, weil sie sich ständig entschuldigt, entwickelt wieder Kampfgeist und gewinnt neuen Lebensmut.

Jede dieser vier Frauen hat ihr Päckchen zu tragen und als eine von ihnen in einer Notlage dringend Geld braucht, schmieden sie einen verrückten Plan, um der Freundin zu helfen. Jeanne, die Vorsichtige, ist erst skeptisch, wirft aber schließlich ihre Bedenken über Bord, was hat sie bzw. was haben sie schon zu verlieren. Es entsteht der Plan, eines der berühmtesten Pariser Juweliergeschäfte zu überfallen.

Jetzt nimmt der Roman eine ungeheure Wendung an, aus der Geschichte über vier Frauen in schwierigen Lebenssituationen wird ein Kriminalroman. Indem sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen, befreien sie sich von der Fremdeinwirkung durch die schwere Krankheit. Sie agieren wieder und lassen nicht nur alles über sich ergehen. Hier geht es um mehr als eine Krimihandlung, nämlich um ein selbstbestimmtes Leben. Für den Autor ist die Kriminalgeschichte lediglich ein Stilmittel, um diesen Prozess deutlich zu machen.

Lassen Sie sich nicht von dem schweren Thema abschrecken. Dieses Buch ist eine echte Bereicherung. Allein die Sprache von Chalandon ist meisterhaft. Mit viel Feingefühl beschreibt er die vier Hauptpersonen und die Metamorphosen, die sie durchleben. Ein Buch, in das man versinkt und nicht wiederauftauchen möchte. Wahnsinnig gut geschrieben, sehr unterhaltsam und am Ende noch mit einigen unerwarteten Wendungen, mindestens sechs von fünf Sternen!

Sorj Chalandon: Wilde Freude. dtv 2020, € 22,00.

Hier finden Sie das Buch in unserem Onlineshop.

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