Die bereits zweimal für den Booker Price nominierte kanadische Bestsellerautorin beeindruckt in ihrem aktuellen Roman wieder durch ihre erzählerische Stärke.

Solace, eine kanadische Kleinstadt nahe des Ontariosees in den siebziger Jahren: Hier lebt die siebenjährige Clara zusammen mit ihren Eltern und ihrer sechzehnjährigen Schwester Rose. Diese, mitten in der Pubertät, ist schon häufiger nach Streitigkeiten mit der Mutter ausgerissen, aber immer nach kurzer Zeit wieder aufgetaucht. Doch diesmal ist alles anders, die Zeit vergeht und sie kommt nicht wieder. Clara sitzt Tag um Tag auf der Fensterbank und wartet auf sie. Sie verlässt nur das Haus, um die Katze von der Nachbarin, Mrs. Orchard, zu versorgen. Elizabeth Orchard, bei der sie sich oft Trost geholt hat, musste ganz plötzlich ins Krankenhaus. Dann ist da noch dieser fremde Mann, der sich in dem Haus der Nachbarin aufhält, große Kisten auspackt und Sachen von ihr wegschmeißt. Was hat das alles zu bedeuten?

Aus der kapitelweise wechselnden Sicht dieser drei Protagonisten tauchen wir ein in den Mikrokosmos einer scheinbar idyllischen Kleinstadt. Liam, der Fremde, hat sich gerade von seiner Frau getrennt und so kommt ihm die Möglichkeit, in seine Heimatstadt zurückzukehren, gerade Recht. Elizabeth hat ihm ihr Haus überschrieben, obwohl er sich eigentlich kaum noch an sie erinnert. Die alte Dame wiederum reflektiert im Krankenhaus über ihr Leben, ihren unerfüllten Kinderwunsch und Geschehnisse in der Vergangenheit, die sie noch heute belasten. Die kleine Clara, die Zweiflerin, wie Elizabeth sie nennt, beäugt derweil ihre nähere Umgebung äußerst misstrauisch und wartet weiter, auf ihre Schwester und die freundliche alte Nachbarin.

Geschickt verknüpft die Autorin die verschiedenen Handlungsstränge sowie Gegenwart und Vergangenheit miteinander. Dadurch entwickelt sich eine ungeheure Spannung, bis zum Schluss alle Fäden zusammenkommen. Die Schatten der Vergangenheit sind lang, führen aber zu einem versöhnlichen Ende, ohne dass die Handlung jemals ins Kitschige abdriftet. Das Buch ist ein wahrer Pageturner. Durch den flüssigen Schreibstil rasen die Kapitel am Leser vorbei. Man will einfach wissen, wie die Geschichte weitergeht. Wunderschön geschrieben, atmosphärisch, empathisch und mit sympathischen Protagonisten, kurzum ein Buch zum Selbstlesen und zum Weiterverschenken!

(Sylvia Jongebloed)

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