Die Autorin ist stets ein Garant für ein gutes Buch. Und doch überrascht sie immer wieder, denn jeder Roman behandelt eine andere Problematik. Lediglich bestimmte Figuren tauchen von Zeit zu Zeit wieder auf bzw. bestimmen die Handlung. Hier ist es Lucy Barton, die wir schon aus früheren Büchern kennen. Der Focus liegt auf der Corona-Pandemie und deren Folgen auf eine Familie.
März 2020: Lucy Barton lebt inzwischen als anerkannte Schriftstellerin in New York City. Mit ihrem ersten Ehemann William hat sie im Laufe der Jahre eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Sie waren 20 Jahre verheiratet und 20 Jahre geschieden. Jetzt sind sie beide Ende sechzig. Als die ersten Schrecken des Corona-Virus die Welt ergreifen, erkennt William als Wissenschaftler bereits einen Teil des Ausmaßes, das diese Pandemie annehmen könnte. Er drängt Lucy, mit ihm für einige Wochen nach Maine in ein einsam gelegenes Haus am Meer zu ziehen, um dort abzuwarten. Lucy, die sich erst mit Händen und Füßen dagegen sträubt, gibt schließlich nach und aus ein paar Wochen wird eine lange Zeit.
In Maine wird Lucy einerseits auf sich selbst reflektiert. Andererseits bohren sich die täglichen Schreckensmeldungen über die weltweite Krise in ihre Gedanken und Gefühle. Auch sie hat in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis Menschen, die entweder schwer erkranken oder gar sterben. Dazu kommt der fatale sprich fahrlässige Umgang der Regierung Trump mit der Pandemie. Auch in ihrem engen Umfeld brodelt es. Eine ihrer Töchter ist schwanger, doch nicht ohne Komplikationen. Die Einsamkeit des Hauses am Meer bringt die komplizierte Vergangenheit zwischen den beiden Ex-Eheleuten wieder an die Oberfläche. Andere persönliche Themen wie Tod, Krankheit, Alter und die gemeinsamen Kinder brechen auf. In der Welt draußen tobt weiter das Virus und die aktuelle Politik steuert auf ein Novum in der amerikanischen Geschichte zu, den Sturm auf das Kapitol.
Die Autorin erzählt die Geschichte einer Familie und ihres nahen Umfeldes in einer bedrohlichen Ausnahmesituation. Die Reflexion jedes Einzelnen auf sich selbst, das Hinterfragen von Beziehungen und allgemeinen Werten. Wer war ich, wer bin ich, wohin will ich? Kunstvoll wie immer präsentiert sie Literatur auf eine sehr unterhaltsame Weise. Man kann einfach nicht genug bekommen von dieser Autorin. Ich bin immer wieder begeistert von ihr!
(Sylvia Jongebloed)