In ihrem Romandebüt erzählt die britische Autorin Carys Davies von einem Wilden Westen, wie er aus glorifizierenden Filmen nicht bekannt ist. Damit schließt sie nahtlos an die Tradition von Huckleberry Finn und Cold Mountain an.

Pennsylvania 1815: Der verwitwete Maultierzüchter Cyrus Bellman liest in der Zeitung von einem spektakulären Knochenfund im Westen Amerikas. Von da an hat er nur noch ein Ziel, er möchte diese Tiere mit eigenen Augen sehen. Er lässt schweren Herzens seine geliebte 10-Jährige Tochter Bess in der Obhut seiner griesgrämigen Schwester in einem ausgesprochen bigotten Umfeld zurück. Er macht sich mit dem Versprechen auf die Reise, in spätestens zwei Jahren zurück zu sein. Von allen wird er verlacht. Nur seine Tochter glaubt an ihn. Unterwegs begegnet er zahlreichen zwielichtigen Gestalten und findet in dem jungen Indianer „Alte Frau aus der Ferne“ einen Helfer, ohne den er sein Abenteuer nicht weit vorantreiben könnte. Nach zwei harten Wintern hat er sein Ziel immer noch nicht erreicht und muss sich irgendwann der Frage stellen, bis hierhin oder weiter.

Das Buch erzählt vom harten Überlebenskampf des Menschen, von Wünschen und Träumen, vom Scheitern, Wiederaufstehen und Kämpfen. Eine sparsame Erzählweise bringt alles auf den Punkt: Kein Wort zu viel in einer spröden Sprache ohne Kitsch und Pathos und bei aller Tragik mit durchaus  komischen Elementen. Das Buch erinnert an Seethalers Ein ganzes Leben. Es gibt psychologisch mehr Rätsel auf als es löst und lässt den Leser nachdenklich zurück. Ein Buch, das lange nachhallt und letztlich die Frage stellt, was wirklich wichtig im Leben ist.

Für mich eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Ein kleines Meisterwerk.

Carys Davies: WEST. Luchterhand 2019, € 20,00.

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